Jahr für Jahr, pünktlich zu Ostern, wird mir wieder das Tanzverbot und seine Ausmaße bewusst und Jahr für Jahr propagiere ich dagegen. Wie auch dieses Jahr, nur diesmal ausführlicher.
Seit 4 Uhr heute in der früh beginnt nun die Verbotszeit.
Was bedeutet Tanzverbot in Hessen?
Dazu gibt es natürlich ein Gesetz: Das hessische Feiertagsgesetz.
Es wird hier zwischen den Feiertagen und den stillen Tagen unterschieden. An ALLEN Feiertagen und weiteren Tagen ist Folgendes zwischen 4 Uhr und 12 Uhr verboten:
1. öffentliche Tanzveranstaltungen;
2. andere der Unterhaltung dienende öffentliche Veranstaltungen, wenn nicht ein überwiegendes Interesse der Kunst, Wissenschaft, Volksbildung oder Politik vorliegt;
3. alle sonstigen Veranstaltungen sowie Aufzüge und Umzüge aller Art, wenn hierdurch der Gottesdienst unmittelbar gestört wird.
An den stillen Tagen (Karfreitag, Volkstrauertag und Totensonntag) ist Folgendes verboten:
1. öffentliche Tanzveranstaltungen;
2. öffentliche sportliche Veranstaltungen gewerblicher Art;
3. öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel sowie Aufzüge und Umzüge aller Art, wenn sie nicht den diesen Feiertagen entsprechenden ernsten Charakter tragen;
4. alle sonstigen öffentlichen Veranstaltungen, wenn sie nicht der Würdigung der Feiertage, der seelischen Erhebung oder einem überwiegenden Interesse der Kunst, Wissenschaft, Volksbildung oder Politik dienen.
Also an
insgesamt 15 Tagen im Jahr ist die
freie Entfaltung eingeschränkt. Oder in Gesetzesform:
Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 des Grundgesetzes) wird für Versammlungen unter freiem Himmel nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, des § 8 Abs. 1 Nr. 3, des § 9 und des § 12 eingeschränkt.
Für die schriftliche Einschränkung des Artikel 2 hat wohl der Mut gefehlt.
Was denke ich über das Tanzverbot?
Ich lehne das Tanzverbot in seiner Gänze für alle Tage ab, da ich dieses als eine unverhältnismäßige und pauschale Einschränkung meiner Grundrechte empfinde.
Ich verstehe den Wunsch und das Bedürfnis Einiger, an den Tagen im Jahr inne zu halten und zu gedenken. Das Tanzverbot unterstützt dieses in meinen Augen nicht, durch Feiern wird das Gedenken nicht gestört. Gewisse Orte müssen jedoch an den stillen Tagen für Veranstaltungen tabu sein um das Gedenken der Gedenkwilligen nicht zu stören!
Weiterhin halte ich es nicht für angebracht, dass von staatlicher und gesellschaftlicher Seite mir vorgeschrieben wird, ob und wann ich inne halte. Selbst in Rom finden an Karfreitag Feiern statt… Also ein typisch deutsche Verquickung zwischen staatlichem Wesen und kirchlicher Deutungshoheit. Dazu aber in Kürze mehr… Ich werde in der Zeit des Tanzverbots einige Beispiele zu dieser Verquickung bringen.
Was anderes sind natürlich schreckliche Ereignisse in unserem Land oder der Welt. Aber auch da möchte ich selbst entscheiden, ob mich das Ereignis trifft und/oder ich aus Anstand jetzt nicht die Party des Jahres öffentlich zelebriere.
Aber, aber, du kannst ja mal einen Tag auf das Tanzen/Feiern verzichten?
Ich denke, dass das ob und das wann meine persönliche Sache ist und nicht zu begründen ist. Ich möchte niemanden vorschreiben, wie er wann emotional in oder aus sich kehren soll.
Zweitens sind nicht nur Tanzveranstaltungen betroffen, sondern auch Kerbeveranstaltungen und Messen, wie die Frankfurter Dibbemess oder Mainzer Frühlings Markt. Jeder hat frei und es erscheint mir sehr befremdlich, wenn ich an diesem Tage einem Jesus mit meinen Kindern gedenken solle…
Weiterhin sind gerade die Osterfeiertage die Tage an denen komplette Gesellschaftsschichten, Freunde, Verwandte und Bekannte frei haben und tendenziell mehr in der Heimat sind. Der ideale Zeitpunkt sich zu treffen und was zu erleben… Leider eingeschränkt.
Im Weiteren reden wir nicht von einem Tag, sondern wie schon erwähnt 15 Tage in Hessen, 9 Tage in Rheinland-Pfalz. Davon mehrere Tage am Stück an Ostern (Donnerstag bis Sonntag morgen)… Der Zeit an der man frei hat.
Abgesehen davon fordere ich kein Tanz auf dem Altar oder Tanz auf dem Kirchengelände, sondern normale, ausgelassene Abend- und Nachtveranstaltungen. Ich schade hierzu keinem… Höchstens die Gedankenwelt Mancher… aber dazu fehlt mir einfach die Überzeugung.
Und eine verhältnismäßige Umsetzung wäre ein Definition von Zonen in denen sich die ‚Ungläubigen‘ auf ihre Weise entfalten können und nicht gestört werden und auf der anderen Seite, dass in den ’stillen Zonen‘ in der Nähe von Kirchen, Messen (gerne auch Öffentliche), Gedenkstätten und Friedhöfen, absolutes Veranstaltungsverbot im Sinne des Gesetzes herrscht. Hier ist dann eine gegenseitige Störung ausgeschlossen.
Dann verzichte doch auf die Feiertage, wenn du die Religion nicht respektierst…
Heißt im Umkehrschluss, dass Nichtgläubige, Ablehnende oder Andersgläubige ebenfalls diese Feiertage nicht in Anspruch nehmen sollten. In meinen Augen gibt es ein wohltariertes Verhältnis zwischen Feiertagen und Arbeitstagen (~10 an der Zahl). Da ich sowieso für eine absolute Säkularisierung des Staates bin, könnte man in meinen Augen die Feiertage auf nationale Ereignisse verschieben. Wichtig ist, dass ganze Gruppen frei haben und nicht jeder individuell Urlaub nehmen muss. Ich möchte die Zeit gemeinsam mit meinen Mitmenschen verbringen.
Und dass die Zahl der Feiertage willkürlich ist, sieht man an der Abschaffung des Buß- und Bettags… oder der Erlaubnis des verkaufsoffenen Sonntags (welchen ich wegen des Arbeitnehmerschutzes ablehne).
Mögliche Tage wären:
- Fastnacht/Karneval – Die Austreibung des Winters
- 23.04. Tag des deutschen Bieres (ok, ok, mehr Ernsthaftigkeit bitte)
- 23.05. Verkündung des Grundgesetzes
- 09.11. der „Schicksalstag der Deutschen“
- Ein Dankestag an alle Einsatzkräfte (ähnlich dem amerikanischen Veteran’s Day)
- Tag der Arbeit (sei es der 01.05.)
- etc…
Ein Säkularisierung ist möglich. Ich befürworte jedoch diese auf die Feiertage des kirchlichen Kalenders zu legen, allerdings ohne kirchliche Ausstrahlung.
Ergo: Wenn obige Aussage die Bedingung ist, können wir gerne die Feiertage auf säkulare Ereignisse verschieben. Wer dann zu Ostern gedenken möchte, kann gerne Urlaub nehmen. Erscheint mir aber wenig zielführend.
Meine Hoffnung
In spätestens 20 Jahren ist das Tanzverbot in seiner momentanen Schärfe abgeschafft. Die ersten Auflösungserscheinungen im Sinne von Urteilen gibt es schon und es wird in meinen Augen in den Jahren weiter gehen.
Die Säkularisierung der Gesellschaft schreitet voran und damit auch die Akzeptanz der individuellen und unbedingten Einschränkung.
Ich halte das aktuelle Tanzverbot gerade noch so für verfassungsmäßig, erwarte aber, dass dieses durch nachfolgende Landesregierungen von Bundesland zu Bundesland abgeschafft wird.
Als Beispiel, ein kleiner Schritt 2015 in Baden-Württemberg:
Oder Bayern: „Am 2. Juli 2013 jedoch beschloss der Bayerische Landtag, das Feiertagsgesetz zu ändern und dadurch das Tanzverbot zu lockern, sodass der Schutz der stillen Tage grundsätzlich erst ab 2 Uhr beginnt, an Karfreitag und Karsamstag bleibt das ganztägige Tanzverbot ab 0 Uhr aber erhalten. “
Kannst du keine Rücksicht nehmen?
Rücksicht zu denjenigen zu nehmen, die ein Problem damit haben, sich vorzustellen, wie ich an Karfreitag tanze, Bier trinke oder mit meinen Kindern auf der Kerb Zuckerwatte essen… Da fällt mir die Rücksicht sehr schwer.
Ich werde reell in meinem Handeln eingeschränkt, andere würden nur in ihrer Vorstellungskraft eingeschränkt werden.